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Wurzens Goldjunge Philipp Wende ist wieder daheim
30-jähriger Ruderer holt im Doppelvierer WM-Titel
Wurzen. Viele, denen Philipp Wende dieser Tage die Hand schüttelt, spüren: Der ist ein Schwerstarbeiter - zu verräterisch die für Ruderer typischen Schwielen. Seit seiner Goldfahrt im französischen Aiguebelette beglückwünscht den Weltmeister gefühlt ganz Wurzen. Die Gratulationskur wirkt wie eine Labsal auch für die geschundenen großen Hände. Als der 30-Jährige im Doppelvierer am Wochenende Weltmeister wurde, schüttete es in seiner Heimatstadt Wurzen beim Tag der Sachsen gerade wie aus Kannen. "Sportreporter Gert Zimmermann auf der Marktbühne verabredete mit mir eine Live-Schalte kurz nach dem Rennen. Aus der Ferne hörte ich den Beifall, Wurzen war mir ganz nah. Das machte und macht mich stolz."
2011 schrammte der deutsche Doppelvierer im slowenischen Bled noch knapp am Weltmeistertitel vorbei. 25 Meter vor der Ziellinie führte das Boot von Philipp Wende noch klar, als Kollege Lauritz Schoof den berühmten "Krebs fing". Er tauchte das Ruderblatt leicht schräg ein - das Boot wurde ausgebremst, der Titel war futsch. Bei Olympia 2012 in London machte Lauritz alles richtig - und den Sieg perfekt. Auch beim aktuellen WM-Rennen in Frankreich fingen die Deutschen keinen Krebs, fischten statt dessen pures Gold.
Zusammen mit Lauritz sitzt Philipp Wende "im Maschinenraum". Beide haben die meiste Power und schauen konzentriert frei geradeaus: "Wir dürfen eben nicht gucken, was die Konkurrenz macht. Das ist allein Sache von Bugmann Karl Schulze. Der macht unterwegs klare Ansagen - halbe Länge vorn, halbe Länge zurück, gleichauf", sagt der fast Zwei-Meter-Hüne. "Dass wir in Bled den Krebs gefangen hatten, lag ja gerade daran, dass einer von uns beiden zur Seite schielte. Das passiert uns nicht noch mal." Schlagmann Hans Gruhne ist Denker und Lenker. Auch seine Schuhe sind im Boot fest verankert, jedoch ist sein rechter Schuh drehbar und mit dem Steuer verbunden.
Mit dem WM-Triumph qualifizierte sich das deutsche Boot für die Olympischen Spiele in Rio 2016. "Das bedeutet aber noch nicht, dass ich dann auch wieder mit drin sitze", betont Wende. Im März und April muss er sich seinen Startplatz neu erkämpfen. Ausnahmsweise beginnt für ihn die Saison im Oktober eine Woche später als für seine Kollegen: "Am 26. September heiraten Jenny und ich in Wurzen. Danach geht's in die Flitterwochen. Der Verband genehmigte mir ein paar Tage Sonderurlaub." Wende ist Mitglied der Sportfördergruppe der Bundeswehr. Derzeit büffelt er für die Prüfungen. 2014 begann der Diplomingenieur für Tiefbohrtechnik zusätzlich ein Fernstudium im Maschinenbau in Dresden, wo er auch trainiert. Dennoch ist der Ausnahmeathlet, der für den SC DHfK Leipzig startet, weiter Mitglied der Rudervereinigung Wurzen.
Auf der Mulde begann er als 13-Jähriger bei Wurzens Ruderpapst Rolf Pabst. Bis heute hält Wende den Kontakt zu seinen Freunden daheim: "Am Wochenende kann der Wurzener Achter in Hamburg den Aufstieg in die Erste Bundesliga perfekt machen. Ich drücke ganz fest die Daumen!" Nur nicht zu fest, sonst verheilen die Schwielen nicht.
Der nette Philipp von nebenan
Kommentar von Haig Latchinian
Olympiasieger, Ehrenbürger, nun auch noch Weltmeister - Philipp Wende ist Sympathieträger und Vorbild für junge Leute. Ihm gratulieren die Wurzener von Herzen, ohne Neid. Das mag auch daran liegen, dass der 30-Jährige stets auf dem Teppich geblieben ist, keinerlei Starallüren an den Tag legt. Er verkauft sich nicht als Dresdener oder Leipziger. Er trainiert zwar in Dresden und startet für den SC DHfK Leipzig - in den Interviews betont er jedoch immer, Wurzener zu sein. Somit ist er an der Seite von Ringelnatz und Erdnussflips ein hervorragender Botschafter seiner Heimatstadt. Zum Auftakt der Wurzener Rudersaison im Frühjahr kam auch er an die Mulde. Obwohl er nicht selbst ins Boot stieg, war ihm der Besuch ein Bedürfnis. Er weiß, was er dem Verein, dem er noch immer angehört, zu verdanken hat. Dabei drängte er sich nicht in den Vordergrund, würdigte vielmehr die Leistungen der Wurzener, deren Achter erstmals in der Bundesliga startet.
Was sich viele nicht vorstellen können: Für den Weltmeistertitel bekam er keinen Cent Siegprämie. Ruderer sind keine Fußballer. Wer wüsste das besser als Philipp Wende selbst. Statt sich feiern zu lassen, lernt er für die anstehenden Prüfungen. Sport ist eben nur eine Seite der Medaille, der Beruf ist ihm genauso wichtig. So nahm der Diplomingenieur kürzlich ein zusätzliches Fernstudium auf. Das zeugt von Weitblick und Bodenständigkeit.
Der Reporter vergaß nach dem Interview seinen Schlüssel bei Philipp Wende. Der rief nicht an, sondern brachte den Schlüssel persönlich in die Redaktion. Wende wird eben nie ein Prinz Philipp, sondern bleibt der nette Philipp von nebenan.
Aus der Leipziger Volkszeitung/Muldentalzeitung vom 10. September 2015